Hilfe, wir stecken in Ecuador fest! Das erschreckende Ende unseres Urlaubs

Wie in den letzten Artikeln angekündigt, spitzte sich die Lage zu Ende meines Ecuador-Urlaubes immer weiter zu. Die Demonstrationen waren seit Längerem angekündigt, jedoch nicht in internationalen Medien und erst Recht nicht auf der Seite des auswärtigen Amtes. Wir erfuhren erst zwei Tage davor davon, landeten in einer Straßensperre, kamen mit zerstochenen Reifen davon und saßen in Salinas fest.

Dies ist der letzte Artikel meiner Reise nach Ecuador Mitte 2022. Da ich hier schreibe wisst ihr, dass ich dem Land noch entkommen konnte. Bevor ich aber die etwas schockierende Geschichte erzähle hier nochmal eine Zusammenfassung: Im Juni 2022 flog ich nach längerer Routenplanung und Reisevorbereitungen mit meiner Reisebegleitung über Guayaquil zu den Galápagosinseln. Die Insel San Cristóbal war der erste Stopp, danach ging es per Fähre zur Isla Santa Cruz. Im Anschluss stand Stadtbesichtigung von Quito auf dem Programm. Zwei Tage später holten wir unseren Mietwagen* und fuhren nach Norden zur Laguna de Cuicocha. Wir übernachteten bei einer indigenen Familie und reisten am folgenden Tag zum beeindruckenden Vulkan Cotopaxi, wo wir zu einer Schutzhütte auf 4864 m Höhe wanderten. Aufgrund angekündigter Demos verließen wir die Gegend vorzeitig und fuhren zur wunderschönen Laguna Quilotoa. Nach einer tollen Wanderung ging es weiter zum touristischen Baños wo wir uns für den nächsten Tag die Ruta de las Cascadas und das Casa de Árbol vornahmen.

Der umfangreichste Reiseführer für Ecuador und Galapagos*:

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Hintergrund zu den Demonstrationen

Am 11.06.2022 erfuhren wir im schönen Hostal Taita Cristóbal* zum ersten Mal von den Demonstrationen und begannen uns zu informieren. Aufgrund der hohen Inflation waren Lebensmittelpreise stark gestiegen, jedoch vor allem der schwankende Benzinpreis, der laut Regierung konstant bleiben sollte, sorgte für Unmut bei der indigenen Bevölkerung. Dazu muss man verstehen, dass es in Ecuador sehr viele Indigene gibt, die an ihren Traditionen festhalten. Sie leben oft in der bergigen Region im Inland, sind relativ arm und ernähren sich großteils von eigenem Anbau. Was übrig bleibt, wird auf den Märkten in der Umgebung verkauft. Sobald die Preise nur leicht steigen können sie kaum noch überleben.

Wir begannen verschiedene Artikel online zu lesen – die Demonstrationen waren schon seit längerem angekündigt, sollten am Montag beginnen und erstmal viele der großen Hauptverkehrsstraßen treffen. Die Eigentümerin des Hostels empfahl uns daher in Richtung Küste zu fahren, da das bergige Landesinnere vermutlich bald nicht mehr passierbar wäre. Laut unserem Plan sollten wir jedoch nach Baños fahren. Sie meinte, dass die Gegend sehr touristisch und sicher ist und nach einem Anruf bei der nächsten tollen Unterkunft Casa de Campo El Descanso* folgten wir unserem Plan weiter.

 

Schnelle Abreise endet im Desaster

In Baños prüfte ich die News und konnte beobachten, wie sich innerhalb eines Tages weite Teile der Panamericana rot einfärbten. Das deutsche auswärtige Amt und viele internationale Medien berichteten jedoch nichts (außer dem allgemeinen Tipp, dass man sich Demonstrationen fern halten sollte). Da unser Rückflug am Freitag von Guayaquil aus gehen sollte, entschieden wir uns sicherheitshalber am Dienstagmorgen zur Abreise. Von Baños aus muss man über die Gebirgskette im Inland um nach Guayaquil zu gelangen.

Mittels Google Maps suchte ich freie Straßen und wir kamen etwas mehr als fünf Stunden sehr gut voran und befanden uns im Bundesstaat Bolívar. Unterwegs kamen wir schon an einigen größeren Steinen und gefällten Bäumen auf der Straße vorbei, an diesen konnte man jedoch immer vorbei fahren (teilweise dachten wir gar nicht, dass es sich dabei um einen Teil der Demo handelte).

Plötzlich verließ uns aber das Glück: Kurz vor der Stadt Guaranda bog die Straße nach links um einen Berg, ich konnte also das Ende der Kurve nicht sehen. Kaum war ich um den Berg herum sah ich eine große Menschenmasse direkt vor unserem Auto. Sie rannten mit erhobenen Stöcken auf uns zu… . Wir bekamen Panik, dachten aber, dass man vielleicht mit ihnen reden kann und dass sie uns durch lassen (zumindest hatte das uns die Eigentümerin der Unterkunft in Baños gesagt). Leider war das nicht der Fall – der erste der Gruppe brüllte nur was wir wollen und begann mit einem Holzstock auf die Reifen einzustechen.

Ich brüllte nur zum Fenster hinaus: „Por favor, somos turistas…“, aber der Typ war total in Rage. Hinter uns sah ich einen LKW, der die Straße blockierte (später fand ich heraus, dass der auch nur wenden wollte). Zu unserem großen Glück kam jemand aus der Gruppe der Demonstranten, der noch vernünftig war, er beruhigte den anderen meinte aber, dass wir nicht durchfahren dürfen und umdrehen müssen. Meine Hände zitterten so sehr, dass ich in Panik in etlichen Zügen wendete und in die andere Richtung zurück fuhr.

Auf dem Weg hielten wir bei einer Gruppe indigener Frauen am Straßenrand und fragten, was wir machen können. Wir zitterten beide und waren total aufgewühlt. Die Frauen meinten nur „Pobre gringos“, ich erklärte ihnen jedoch, dass wir keine Amis sind. Einen Weg konnten sie uns dennoch nicht geben. Kurze Zeit später war bereits ein Reifen platt. Da wir mittlerweile kaum jemandem mehr vertrauten hielt ich außerhalb einer Siedlung und wechselte in Windeseile das Rad (zum Glück war ein Ersatzreifen unter dem Kofferraum).

Wir fuhren eine Weile den Weg zurück, den wir gekommen waren und sahen eine indigene Frau am Straßenrand mit ihrem Kind, die ein Stück mitgenommen werden wollte. Wir dachten uns, dass das eine gute Idee sei – mit ihr im Auto würde man uns sicher nicht nochmal so entgegen treten, außerdem konnten wir sie ausfragen. Leider konnte auch sie uns nicht helfen, sodass wir etwas später noch einmal bei einem alten Mann hielten und lange mit ihm redeten. In Ecuador sind die Tage in etwa gleich lang aufgrund zur Lage zum Äquator, daher wird es ab 18 Uhr schon dunkel. Für die Strecke zurück hatten wir nicht mehr genug Zeit (der Mann meinte, dass da mittlerweile auch alle gesperrt wäre), ein anderer Weg könnte uns nur noch in größere Schwierigkeiten bringen und so überredete er uns zurück nach Salinas de Guaranda zu fahren, einem kleinen Ort, an dem wir mittlerweile schon zwei Mal vorbeigekommen waren.

 

Salinas de Guaranda

Aufgrund unserer schrecklichen Erfahrung trauten wir leider keinem mehr so richtig über den Weg. Als das erste Hostel am Ortseingang geschlossen hatte, entschied ich mich die deutsche Botschaft in Quito anzurufen und unseren Fall zu schildern. Ich rief außerhalb der Öffnungszeiten an, daher antwortete nur der Notdienst. Nachdem ich alles erklärt hatte, bekam ich nur die nüchterne Antwort: „Bleiben sie dort, wenn sie da sicher sind. Das geht vorbei.“. Weder Namen noch Passnummern wurden aufgenommen, auf der Website des auswärtigen Amtes war weiterhin nichts zu lesen (am 14.06., dem zweiten Tag der landesweiten Demonstrationen). Im Grunde hatte der Mitarbeiter der Botschaft recht, aber wie lange sollten wir warten? Und was konnte noch passieren? Die Demonstrationen hielten übrigens noch über zwei Wochen an, wir kamen aber eher raus.

Hostel La Minga Salinas

Wir fuhren also in den Ort und fragten nach einem Hotel. Zu unserem Glück hatte das tolle La Minga Hostel* geöffnet. Wir checkten ein (als einzige Gäste) und erzählten mit Tränen in den Augen die Geschehnisse. Der Eigentümer, Lenin, war extrem nett und wir merkten schnell, dass wir mit dem Ort viel Glück hatten, da es hier einige internationale Projekte gab. Lenin schickte uns dann mit unserem Auto zur Werkstatt um die Ecke und dort sahen wir den Truck, der hinter uns die Straße blockierte. Im Gespräch fanden wir heraus, dass er genau wie wir in die Sperre gefahren war und umlenken wollte. Alle acht Reifen seines Trucks wurden zerstochen und bei Untersuchung unseres Dusters fanden wir auch zwei weitere Platten (die Reifen wurden nur leicht angestochen, sodass der Luftverlust schleichend erfolgte). Wir unterhielten uns und ließen die Fahrzeuge reparieren (3 USD pro Reifen!). Der Fahrer des LKWs wohnte in einem Dorf nur 5 km weiter die Straße entlang, sie ließen ihn aber nicht nach Hause durch. Nachdem wir abends eine Pizza gegenüber des Hostels gegessen hatten beschlossen wir am kommenden Morgen mit Lenin und dem Truckfahrer einen neuen Versuch zu starten.

 

Der zweite Versuch: Das war wohl nichts…

Am kommenden Morgen (Mittwoch, 15.06.) fuhren wir gemeinsam los – der Truck vorneweg und wir hinterher mit Lenin als Begleiter. Wir kamen jedoch nicht viel weiter als beim letzten Mal. Brennende Reifen lagen auf der Straße, die Demonstranten schienen aber noch zu schlafen, es waren erst wenige Menschen zu sehen. Wir drehten um und versuchten eine andere Strecke – plötzlich versperrte aber ein Stahlseil den Weg. Wir hielten an und während Lenin und der LKW-Fahrer vergeblich versuchten die in der Nähe wohnenden Leute zu überreden das Stahlseil zu entfernen, entdeckte ich einen weiteren Platten an unserem Auto (der letzte Reifen) und wechselte mal wieder ein Rad. Es half alles nichts, wir kamen nicht weiter. Wir überlegten, den Mietwagen* dort zu lassen und zu laufen, daher rief ich den Vermieter (Alamo) in Quito an. Der war sehr nett und meinte, dass wir nur die Rückführung, jedoch keine extra Tage zahlen müssen, sofern das Auto irgendwo sicher untergestellt wird. Da wir aber nicht wussten, wie weit wir mit unserem Gepäck laufen können und was uns auf dem Weg noch erwartet, fuhren wir zurück nach Salinas. Unterwegs kamen uns bereits Demonstranten entgegen, sodass ich mit Vollgas fahren musste, um noch kurz vor ihnen abbiegen zu können – mein Herz schlug mir bis zum Hals… .

Zurück in Salinas suchte ich nach anderen Möglichkeiten. Ich rief erneut die Botschaft an – immerhin nahm man dieses Mal unsere Namen und Passnummern auf, der Rat war jedoch der Gleiche (im Grunde schon richtig). Auf der Seite des auswärtigen Amtes war jedoch bis Mittwochnacht weiterhin nichts zu lesen. Ich begann kleine Flughäfen in der Nähe anzurufen – wir befanden uns in den Bergen auf 3500-4000 m Höhe (dementsprechend kalt war es in der Nacht), da musste es ja sowas wie eine Bergrettung geben. Leider gab es keinen Helikopter oder ähnliches, den man hätte buchen können. Die Empfehlung war nach Riobamba zu fahren und von dort zu fliegen, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass wir bis dahin durchkommen würden. Mittlerweile entschied ich mich meinen Eltern und Freunden in Deutschland Bescheid zu geben und zumindest mal meinen Standort mitzuteilen. Auch bei der Airline rief ich an und fragte nach Möglichkeiten im Notfall umbuchen zu können.

Während ich gefühlt mit hundert Leuten telefonierte und per Whatsapp schrieb (zum Glück kann ich halbwegs Spanisch), organisierte Lenin etwas anderes: Ein Vertreter der indigenen Gemeinde sollte ein sog. Salvoconducto beschaffen, ein Dokument, mit dem man durch die Straßensperren durchfahren könnte. Das war natürlich nicht kostenlos (wir mussten aber nichts zahlen). Damit sollten wir bis nach Chimbo an die Grenze des Bundesstaates fahren und von dort wollte die Tourismusbehörde von Guayaquil übernehmen. Alles sollte organisiert werden und da ich mit meinen eigenen Versuchen nicht mehr weiter kam, entschieden wir uns zur Ablenkung den Ort anzuschauen.

 

Sightseeing in Salinas zur Beruhigung

Auch wenn wir fest saßen und uns permanent Gedanken machten, hätten wir kaum einen bessern Ort für unseren unfreiwilligen Aufenthalt finden können. Die Parroquia (Verwaltungsgebiet) Salinas de Guaranda im Bundesstaat Bolívar (benannt nach dem berühmten Unabhängigkeitskämpfer Simón Bólivar) hat um die 10.000 Einwohner (davon knapp 80 Prozent Indigene). Der Hauptort befindet sich 21 km nördlich von Guaranda auf einer Höhe von 3550 m. Die Parroquia wurde 1884 gegründet, ihr Name leitet sich von den umliegenden Salzminen ab. Neben dem Hauptort gibt es große Felsen aus salzhaltigem Gestein. Auf diesen Felsen gibt es mehrere Wasserquellen. Das Wasser fließt den Stein hinab und nimmt dabei das Salz auf. Die Einwohner entdeckten diese Tatsache und begannen vor langer Zeit das Wasser auszukochen und Salz herzustellen. Da Salz jedoch keinen großen Gewinn abwirft und das Land noch dem Staat gehörte, blieben die Bewohner bis in die 70er Jahre sehr arm, trotz der Minen und des sehr fruchtbaren Bodens in der Region.

Von italienischen Freiwilligen unterstützte Entwicklungsinitiativen, die in dieser Zeit gegründet wurden, halfen der Bevölkerung aus der extremen Armut zu entfliehen. Eine Kreditgenossenschaft wurde gegründet, welche 1971  die Nutzungsrechte der Salzminen übernahm. Da Meersalz immer günstiger wurde, gingen die Einnahmen der Minen aber immer weiter zurück. Die Kreditgenossenschaft gründete daraufhin die erste Käserei (El Salinerito) dank eingebrachter Ersparnisse der Mitglieder. Der Erfolg des Projekts brachte schnell neue Ideen auf den Plan und sorgte für eine Verbesserung der Infrastruktur. Gemeinschaftsunternehmen wurden gegründet und die Bedingungen für lokale Arbeiter verbessert. Entwicklungshilfe brachte Salinas voran, u.a. wurden Maschinen zur Käseherstellung aus der Schweiz gebracht, die lokale Spinnerei nutzt Maschinen aus Kanada. Handwerksbetriebe entstanden, ein Hotel wurde gebaut, Tourismus wurde angesiedelt. Heute können sich die Einwohner von Salinas mit vielen Produkten selbst versorgen, außerdem werden Textilien, Süßigkeiten, Käse, Schokolade, Öle, Fleischwaren, Marmeladen und Produkte mit Salz hergestellt, an Touristen verkauft und sogar nach Europa und in die USA exportiert! Einen Bericht über das gelungene Entwicklungshilfeprojekt findet ihr hier.

 

Von wegen Salvoconducto…

Wir besuchten die Salzmine, das örtliche Museum und natürlich die Schokoladenfabrik. Das lenkte uns etwas ab. Am Abend sollte sich eigentlich der Indigene mit dem Salvoconducto melden – er kam aber nie bei uns an. Vermutlich nutzte er das Dokument um selbst raus zu fahren. Also standen wir wieder mit leeren Händen da. Der gute Lenin suchte fieberhaft weiter nach einer Lösung für uns. Am kommenden Morgen (Donnerstag, ein Tag vor unserem Rückflug) riefen mich die Kollegen aus dem Nachbarstaat an – sie waren bereits in Chimbo und warteten auf uns. Wir waren jedoch immer noch in Salinas und ohne Plan, wie wir raus kommen.

Über Beziehungen organisierte Lenin schließlich einen indigenen Führer mit einigen Kollegen. Sie sollten vor uns fahren und versuchen mit den Leuten an den Straßensperren zu reden. Wir packten alles ein und setzten uns langsam in Bewegung. Von Salinas nach Guaranda sind es etwa 28 km, es kam uns aber wie eine Ewigkeit vor. Auf dem Weg gab es 10 (!) Straßensperren. Jedes Mal fuhren wir ganz langsam heran, die Leute aus dem vorderen Fahrzeug stiegen aus, schüttelten den Demonstranten die Hände und redeten. Dann wurden Bäume und brennende Reifen zur Seite geschoben, Autos umgeparkt und sonstige Barrikaden entfernt, sodass wir durchfahren konnten. Je näher wir der Stadt kamen, desto schlimmer wurde das Bild: Betrunkene Demonstranten, brennende Barrikaden, geschlossene Läden. Auch zu uns in den Duster wurden noch zwei Indigene gesetzt, für den Fall, dass wir angehalten werden. Das Auto vor uns hatte dann leider kurz vor Guaranda noch eine Platten, vermutlich waren sie über etwas spitzes gefahren.

Wir benötigten für die Strecke etwas mehr als eine Stunde, die Anspannung war kaum auszuhalten… . In Guaranda war die Lage eine andere: Die Polizei patrouillierte durch die Stadt, es war etwas ruhiger, aber jedes Mal, wenn die Beamten vorbei waren füllten sich die Straßen wieder mit Indigenen. Wir wurden ins Tourismusbüro gebracht und dort sagte man uns, dass wir mit dem Auto nicht aus der Stadt raus kommen – es gab zu viele Barrikaden auf der Straße. Also was machen?

 

Auf dem Motorrad um brennende Reifen und Barrikaden

Die Kollegen aus dem Büro hatten eine neue Idee – und die gefiel mir irgendwie gar nicht. Man besorgte neue Salvoconducto und drei Transitpolizisten mit Motorrädern. Einer der Mitarbeiter der Tourismusbehörde machte etliche Fotos von uns. Erst machte mir das ziemliche Angst, später fand ich aber heraus, dass das für ihre Social Media Seite gedacht war^^. Wir setzten uns also mit unseren großen Rucksäcken hinten auf die Motorräder, auf dem dritten Motorrad fuhr der Mitarbeiter aus dem Büro mit und nahm unser Handgepäck. So ging es aus der Stadt hinaus 15 km die Straße entlang nach Chimbo. Unterwegs sahen wir, warum das mit dem Auto nicht möglich gewesen wäre: Man hatte große Felsen auf die Strecke gelegt, wieder brennende Reifen und Erdhaufen – da war kein durchkommen mehr. Auf dem Weg riefen die Transitpolizisten den Leuten zu, dass sie die Straße nicht komplett schließen sollen, da sie mit den Motorrädern noch zurück mussten.

In Chimbo trafen wir dann auf die Kollegen vom Bundesstaat Guayaquil. Sie warteten mit ihrem Pickup schon seit den Morgenstunden und hatten ebenfalls Angst, dass sie nicht mehr rauskommen würden. Wir packten unser Gepäck um und in Windeseile ging es in Richtung Küste. Der Fahrer fuhr wir ein Verrückter um gefällte Bäume und Steine auf der Straße, unterwegs fielen ihm noch ständig die Augen zu, sodass wir ihm etwas zum wach bleiben an einer Tanke kauften. Nach etwa 45 Minuten war der Spuk dann vorbei: Nachdem wir das Gebirge hinter uns gelassen hatten gab es keine Hindernisse mehr auf der Straße und von den Demos war nichts mehr zu spüren.

Da wir immer noch ziemlich fertig waren und ja keine Risiken mehr eingehen wollten, buchten wir das Holiday Inn* direkt am Flughafen. Das war zwar sehr teuer, aber von dort aus konnten wir notfalls zu Fuß zum Flughafen laufen. Der Pickup setzte uns direkt vor der Tür des Hotels ab. Es wurden nochmal Fotos für Social Media aufgenommen und dann liefen wir mit unseren dreckigen und nach Rauch stinkenden Sachen ins Hotel – da passten wir so gar nicht rein… . Den Rest des Tages verbrachten wir am Pool und versuchten das Erlebte irgendwie zu verarbeiten. Der Botschaft und anderen Reisenden, die wir unterwegs getroffen hatten, schrieben wir nochmal einen Bericht. Mittlerweile hatte die ecuadorianische Tourismusbehörde einige Informationen veröffentlicht und wollte feststeckenden Touris helfen aus dem Land zu kommen. Die Fotos von uns wurden in einem Bericht über die erfolgreiche Evakuierung zweier deutscher Touristen auf Facebook veröffentlicht^^.

Unser Auto nahm Lenin übrigens wieder mit nach Salinas und stellte es sicher unter. Ein Fahrer von Alamo holte es später ab. Wir mussten nur das Benzin für diese Fahrt bezahlen, keine weiteren Kosten, ein toller Service! Am Abend nach unserer Abreise wurde das Verwaltungsgebäude der Regierung des Bundesstaates Bolivar in Guaranda vom Demonstranten gestürmt und besetzt.

 

Takeaway

Ich habe lange über die Events dieser zweiten Woche meines Urlaubes in Ecuador nachgedacht. Man könnte sagen: Gerade nochmal Glück gehabt! Im Grunde hätte man uns nichts physisches angetan, die Leute wollten halt ja nur demonstrieren. Aber einige davon waren ziemlich betrunken und die Sache mit den Reifen schockierte uns schon sehr. Unsere Vorgehensweise war nachvollziehbar, aber im Nachhinein grundlegend falsch und gefährlich. Auch wenn ich von der Botschaft deutlich mehr Unterstützung erwartet hatte, so hatten die Mitarbeiter vollkommen recht: Bevor man irgendwelche Versuche startet und dann noch etwas Schlimmes passiert, sollte man besser an einem sicheren Ort bleiben und warten. Die Frage ist halt nur wie lange. Die Demonstrationen hielten über zwei Wochen an. Zusätzlich gingen in einigen Städten Studenten auf die Straße und in Quito kam es zu Auseinandersetzungen mit Toten. Die Versorgungslage in Regionen wie Salidas war angespannt, keine Transporter mehr durchgelassen wurden.

Was habe ich gelernt für künftige Reisen?

Politische Lagen können sich sehr schnell ändern und Demonstrationen sind vor allem in lateinamerikanischen Ländern keine Seltenheit. Daher solltet ihr der Informationsbeschaffung vor und während der Reise eine höhere Priorität einräumen. Sicher, 99% aller Reisen enden nicht in so einem Desaster, aber das verbleibende Prozent kann euch ganz schön Probleme machen. Hier ein paar Tipps, die ich auch in meine Sicherheitshinweise einarbeiten werde:

  • Verlasst euch nicht auf das auswärtige Amt oder die deutsche Botschaft. Die Informationen auf deren Websites werden zu langsam aktualisiert, in unserem Fall gab es erst am abends des dritten Tages der Demonstrationen Infos auf deren Seiten. Übrigens: Wir trafen eine US Amerikanerin unterwegs. Sie wurde bereits am Freitag vor den Demonstrationen von ihrer Regierung per SMS informiert und gebeten das Land zu verlassen.
    • Lest vor und während eures Urlaubes gelegentlich Lokalnachrichten des Landes in das ihr reist (Websites kann man ja auch übersetzen lassen).
    • Nutzt andere Kanäle, zum Beispiel die Websites der US Regierung.
    • Fragt Locals.
  • Geht auf Nummer sicher: Ich weiß, dass man ungern seinen Urlaub versaut, aber ihr solltet um Demonstrationen einen großen Bogen machen. Bei einem derart großen Event wie bei uns solltet ihr euch in die Nähe eures Flughafens begeben. Notfalls kann man ja da im Umkreis noch ein wenig Urlaub machen, aber im worst case könnt ihr innerhalb kürzester Zeit das Land zu verlassen. In unserem Fall hätte man ein Hotel am Strand in der Nähe von Guayaquil buchen können.
  • Habt ausreichend Bargeldreserven (nicht im Portemonnaie, aber beispielsweise in einem Pacsafe*) und ein gutes Paket für eure Simkarte (hatten wir lokal erworben – wem das zu viel Aufwand ist, der kann bereits vor der Reise bei Holafly* eine Sim besorgen – mit dem Code alltagraus erhaltet ihr sogar noch Rabatt!).

 

Kosten (für zwei Personen):

  • Bisher (vorheriger Artikel): ca. 4328,49€ (angenommener Kurs 1 € = 1,07 USD)
  • Reparatur Reifen (mit Trinkgeld): 15 USD
  • Abendessen Salinas Tag 1 (Pizza): 22 USD
  • 2 Übernachtungen La Minga Hostel* in Salinas: 40 USD
  • Frühstück und Einkaufen in Salinas: 13,50 USD
  • Eintritt Museum Salinas: 4 USD (2 USD p.P.)
  • Souvenirs (Tee, Salz, etc.): 10 USD
  • Abendessen Salinas Tag 2: 22 USD
  • Uber in Guayaquil (Abendessen): 4€
  • Abendessen Guayaquil (Burger): 51 USD
  • Übernachtung Holiday Inn Guayaquil*: 198€
  • Mittagessen Flughafen Guayaquil: 16 USD
  • Tanken Mietwagen (nach der Aholung): 37 €

Gesamt: ca. 4748,33€ (angenommener Kurs 1 € = 1,07 USD)

 

Fazit

Ecuador ist ein wunderschönes Land! Es kommt mir ein wenig wie ein kleines Mexiko vor, da man hier auch Strand, Inseln, Vulkane/Berge, Dschungel, Wüste und vieles mehr hat. Leider konnten wir die zweite Woche des Urlaubs nicht wirklich genießen, wir haben auch kaum noch Fotos gemacht. Da dies jedoch ein Ausnahmefall ist, möchte ich Ecuador trotzdem als Urlaubsland empfehlen. Die Menschen waren unglaublich hilfsbereit und freundlich (wenn sie gerade nicht demonstrieren) und außer in den größeren Städten haben wir uns in der Regel sicher und wohl gefühlt. Mein persönliches Highlight war der Cotopaxi, denn ich war noch nie so hoch auf einem Berg. Aber auch die Galapagosinseln hatten ihren Charme. Für Tierbeobachter und Wanderer kann ich eine Empfehlung geben!

 

Falls ihr euren Rückflug auch aus Guayaquil plant, dann findet ihr hier das passende Hotel:*



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