Shenyang – Die erste Woche

Die erste Woche in Shenyang ist geschafft und da möchte ich euch natürlich kurz meine neuesten Erfahrungen und Entdeckungen mitteilen.

Da wir jeden Tag viel erleben und ich gar nicht alles in einen Text packen kann, habe ich den folgenden Bericht in verschiedene Themen gegliedert.

 

Arbeit und der Weg dorthin:

Die Arbeit hier ist nicht anstrengender als in Deutschland, jedoch sind die Arbeitstage deutlich länger und daran muss man sich erstmal gewöhnen. Jeden morgen essen wir um 6 Uhr Frühstück im Hotel (super lecker) und dann holt uns einer von vielen Sammelbussen vor dem Hyatt-Hotel ab und fährt ca. 1h15min zum BMW-Werk. Dann wird gearbeitet und um 17:20 Uhr holt uns wieder ein Sammelbus bei BMW ab und fährt erneut mindestens 1h15min zurück zum Hotel – wenn mal wieder viel los ist, kann es aber auch länger dauern. Unser Bus hat die Nummer 49 und ein Großteil der Mitarbeiter wird mit ähnlichen Bussen zum Werk gefahren – dementsprechend voll ist der Busparkplatz und groß das Gewusel am Morgen. Die Fahrt geht erst durch die Stadt, vorbei an den glitzernden Hochhäusern und Malls im Stadtzentrum und an den unzähligen mehr oder weniger leeren Wohnhochhäusern am Stadtrand. Da erwartet wird, dass die Wohnungspreise hier immer weiter steigen, baut man schnell unzählige Hochhäuser, verkauft die Wohnungen und die bleiben dann erstmal leer (für ein Paradebeispiel einfach mal New Ordos suchen). Da die Bauqualität aber teilweise sehr schlecht ist, sind viele dieser Häuser bereits nach wenigen Jahren baufällig und müssen ausgebessert oder abgerissen werden. Eine ähnlich schlechte Qualität sieht man bei den Straßen, die schnell aufgebaut werden und bereits nach wenigen Jahren Risse und riesige Schlaglöcher aufweisen (das Material muss hier aber auch extremem Wetter standhalten: -30°C im Winter, bis +40°C im Sommer). Der Bus nimmt natürlich jeden Tag einige dieser Schlaglöcher mit – da wache ich dann meist wieder auf :). Heute hat ein Kollege sein Handy in die Luft geworfen und wieder aufgefangen, als der Bus mal wieder durch ein großes Schlagloch gefahren ist – sah filmreif aus :). Die Fahrt geht dann weiter zu den Vorstädten, welche teilweise extrem runtergekommen sind. Interessanterweise stehen aber plötzlich auch Hochhäuser mitten im Nichts in den Vorstädten – und das haben wir uns mal erklären lassen: Die vielen Industriefirmen, die sich hier niedergelassen haben, haben natürlich eine Menge Platz benötigt. Also hat man kurzerhand den Anwohnern das Land weggenommen (gehört ja ohnehin alles dem Staat) und als Entschädigung Geld gegeben und Hochhäuser in die Nähe gebaut, wo die ab jetzt drinnen wohnen können. Da die aber nicht blöd sind, haben sie sich mit dem Geld lieber Wohnungen in der Stadt gekauft. Und jetzt versteht man auch, warum die Städte hier so langsam aus allen Nähten platzen. Während der Fahrt sieht man auch überall Leute, die die Straße kehren oder etwas am Straßenrand umgraben oder Bäume pflanzen. Diese Leute haben keine richtige Arbeit, also gibt ihnen der Staat Beschäftigung. Ist schon komisch, wenn man alte Menschen sieht, die die Straßen in den staubigen Vorstädten mit Strohbesen kehren.

 

 

Zurück zur Arbeit: Die zwei Teams, in denen wir untergekommen sind, bestehen aus zwei Deutschen und ca. 25 Chinesen. Bisher haben wir uns alle ein wenig kennengelernt, dabei waren einige Kaffees und deutsche Süßigkeiten, die wir mitgebracht haben, sehr hilfreich :). Unsere Aufgabe hier ist Support und Beratung, d.h. wenn die chin. Kollegen eine Frage haben, dann stehen wir hilfreich zur Seite ;). Die Chinesen sind alle total freundlich (man wird dauernd zum Kaffee oder Essen eingeladen und wenn man in ein Meeting kommt, springt sofort einer auf und bietet seinen Stuhl an), sie sprechen Englisch (einige auch Deutsch), jedoch ist das wirklich schwer verständlich aufgrund des Akzentes, aber ich gewöhne mich noch dran. Das BMW-Werk ist übrigens schick und erinnert mich ein wenig an das Leipziger Werk. Einen Unterschied gibt es jedoch – es ist überall extrem sauber und es gibt unzähliges Putzpersonal – z.B. fährt eine Frau den ganzen Tag mit einer Putzmaschine durch den Eingangsbereich, eine andere wischt von früh bis abends immer wieder den „Skywalk“ – einen Gang über die Produktion in andere Bereiche.

In unserem Bereich gibt es eine kleine Kantine, wir gehen jedoch in die große im Zentralgebäude, dort gibt es viele verschiedene Theken und chinesisches sowie westliches Essen für 6 RMB pro Portion zusammen mit einer Flasche Wasser (das ist umgerechnet etwas weniger als 1€). Manches Essen ist ein wenig durchwachsen – wir probieren immer mal andere chinesische Gerichte – da wir das meiste aber nicht kennen ist das ein wenig wie Lotterie :D.

(Reklame)

 

Das Essen:

Dienstagabend wollten wir mal was anderes und waren Burger essen bei Casey’s Diner, das ist ein richtig gutes Restaurant in Shenyang (wahrscheinlich ist das so, weil viele chinesische Restaurants aufgrund des chinesischen Namens bei Tripadvisor nicht geführt oder gefunden werden). Geführt wird es von Casey persönlich, einem Kanadier, der hierher ausgewandert ist. Er sitzt auch meistens irgendwo im Raum, begrüßt die Gäste und fragt, ob alles gut ist. Die Burger sind sehr zu empfehlen und der Preis passt auch :).

Am Freitag haben uns dann die Arbeitskollegen zum chinesischen Abendessen eingeladen und da haben wir nochmal viel Interessantes gelernt. Zum Beispiel, dass die nordchinesische Küche oft aus großen Gerichten besteht und die südchinesische eher aus kleinen. Außerdem gibt es eher im Süden die ganzen Dinge, die man aus Erzählungen von China hört (z.B. Affenhirn usw.), die Leute hier sagen: „Die im Süden essen alles.“ Auch haben wir gelernt, dass man in China nie komplett aufisst, denn das heißt, dass es zu wenig war. In unseren Kreisen heißt ein nicht komplett leerer Teller ja eher, dass es nicht geschmeckt hat. Wenn nun Chinesen und Europäer essen gehen kann das für den Chinesen teuer werden, denn er wird mehr bestellen und der Europäer wird aus Anstand wieder alles essen :D.

Nun, was haben wir gegessen? Es gab wieder Bier (3 verschiedene Sorten Snow Beer) und zig veschiedene Gerichte, serviert auf einem Drehteller, sodass jeder etwas nehmen konnte. Dabei war kein Reis (den isst man hier nämlich gar nicht so oft, da es aufgrund des Bodens wenig Anbaugebiete gibt, außerdem ist Reis eher das Essen der armen Leute), sondern viel Gemüse, Tofu, Rindfleisch, Schweinefleisch, Hühnchen, Lamm, kandierte Kartoffelstücken (sehr lecker), Fisch usw.. Zum Schluss wurde dann nochmal etwas Spezielleres gebracht, nämlich frittierte Seidenraupen mit Füllung (waren auch ok). Alles war sehr lecker, aber seht selbst:

 

Wir waren auch nochmal beim Koreaner essen – keine Angst, hab keinen Hund probiert. Dieses Mal wollten wir etwas bestellen und dann auf dem Tisch grillen. Das bestellte Essen sah sehr gut aus, leider waren im Hühnerfleisch harte Knorpel und wir wussten nicht, ob und wie die Chinesen das essen. Die Frau aus dem Restaurant hat dann für uns die Sachen auf den Grill gelegt, da wir uns wahrscheinlich zu blöd angestellt haben. Gegessen haben wir aber nur sehr wenig, da wir es uns nicht getraut haben, die Knorpel vor der Frau auf unsere Teller zu spucken (weiß mittlerweile, dass man das hier aber so macht :/).

Kurios: In der Kantine von BMW steht ein Schild mit der Aufschrift: civilized eating^^

(Reklame)

 

Die Stadt Shenyang:

Shenyang entwickelt sich sehr rasant und die Einkommen mancher Leute scheinen hier höher als in anderen Regionen zu sein, auch gibt es einige sehr reiche Leute hier, wie man an den vielen teuren Autos und Shoppingmeilen sieht (die Preise für Kleidung und Elektronik sind vergleichbar mit Deutschland, Marken manchmal sogar teurer; nur auf den Märkten ist es günstig und teilw. Fake). Es gibt übrigens bis auf wenige Ausnahmen die gleichen Produkte wie in Deutschland zu kaufen – die meisten Marken gibt es hier auch. Zusätzlich gibt es natürlich noch viele Marken aus anderen Ländern (z.B. die ganzen amerikanischen Automarken). In Shenyang kleidet man sich meist ordentlich, teilweise auch vornehm. Viele Frauen haben teure Taschen und Männer tragen oft Hemden. Nur manchmal sieht man Leute in Trainingsanzügen, die wie Schlafanzüge aussehen :D. Außerhalb der Stadt scheinen eher arme Leute zu leben, daher ist der Kleidungsstil schlechter. Hier rotzen die Leute auch mehr in der Gegend rum (schon ekelhaft; man putzt sich auch nicht die Nase, sondern schnieft rum oder entleert die Nase mit Druck in die Landschaft).

Es gibt viele Sehenswürdigkeiten hier, die wir in den nächsten Wochen erkunden werden. Bisher haben wir nur den Imperial Palace, einen großen Park (mit Rummel), zwei Bahnhöfe und zwei Shoppingmeilen gesehen. Zu den weiteren Sehenswürdigkeiten und Märkten schreibe ich später noch etwas.

Noch paar Eindrücke von der Stadt:

 

Der Verkehr:

Wie bereits erwähnt ist der Verkehr hier einfach nur verrückt. Shenyang hat nur zwei Metrolinien (Metro wird 2017 erweitert um mehrere Linien) und daher fahren viele Menschen mit dem Auto durch die Stadt. Dies hat natürlich einige Verkehrsstaus zur Folge. Rechts abbiegen darf man auch an roten Ampeln und da Fußgängerüberwege (auch mit Ampeln) den Autofahrern egal sind, muss man als Fußgänger sehr aufpassen. Natürlich ist die Hupe das Wichtigste am Auto – ein chinesischer Kollege hat immer nur eine Hand am Lenkradkranz, die anderen auf der Hupe in der Mitte des Lenkrads. Der Großteil der Autos hier hat Automatikgetriebe und man findet deutlich mehr unterschiedliche Fahrzeuge auf den Straßen als in Deutschland. Auch gibt es unzählige Modelle von Elektrorollern, die großteils zu Hause geladen werden, da die Ladeinfrastruktur noch mangelhaft ist. Diese Roller fahren meist auf den Fußwegen mit hoher Geschwindigkeit und hupen dann, damit du noch schnell zur Seite springen kannst – gefährlich, da man sie aufgrund des E-Antriebes nicht hört! Hybrid- und Elektroautos gibt es hier auch schon einige, was auch notwendig ist, wenn man mit einem weiteren Wachstum der Städte rechnet.

 

Wetter und Luft:

Sonntag früh hat es geschneit! Ganz ehrlich, bei 3°C kamen ein paar Flocken runter und 15 Minuten später war es wieder 10°C warm – schon kurios. Bisher war es aber immer gut – wir hatte noch keinen Regen und auch keine sehr heißen Tage. Es wird aber erwartet, dass die Temperaturen in den nächsten Wochen stark steigen. Es ist sehr trocken hier, daher kommt es außerhalb der Stadt oft zu Sandstürmen (sieht man am Dunstschleier in der Luft und dem Sand auf dem Auto). Die Luftqualität war bisher ok – den schlimmsten Wert im Air Quality Index hatten wir am 06.04., es waren 153 (sieht dann ein wenig wie Nebel in der Entfernung aus). Normalerweise liegen wir so bei 90. Das wird als ungesund eingestuft, merken tut man es aber kaum (ich hatte das Gefühl, bei den 153 etwas beim Atmen zu spüren, die Kollegen merkten aber nichts). Sport würde ich dennoch derzeit nicht draußen machen :).

 

Und sonst… ?:

Uns geht es weiterhin gut hier, bisher gibt es sehr viele Dinge, die uns gut gefallen und nur wenige Dinge, die uns aufregen, z.B.:

  • Rotzende Menschen (gibt es kaum in der Stadt, aber auf dem Land mehr).
  • Sehenswürdigkeiten sind wenn überhaupt dann nur notdürftig auf Englisch beschriftet, es gibt keine Prospekte oder Karten.
  • Drängeln: Die Chinesen müssen sich überall vorbeidrängeln oder vorne anstellen und das ist manchmal ziemlich nervig. Teilweise drängen sie in die U-Bahn, obwohl noch Leute aussteigen. Heute stand ich am Buffet, um ein Glas Saft zu holen, als ich dran war, kam wieder eine Chinesin von der Seite und ging vor mich. Die merken das schon gar nicht mehr.
  • Elektroroller: Die fahren wie die Irren auf dem Fußweg und hupen dich dann wild von hinten an, damit du zur Seite springst (du hörst sie ja nicht kommen).

 

Kurioses:

Manchmal sind wir die Sehenswürdigkeiten. Da es hier nicht viele große blonde Menschen (Langnasen aus Europa :D) gibt, werden wir manchmal von Chinesinnen gefragt, Fotos mit ihnen oder ihren Kindern zu machen.

Man sieht sehr oft schlafende Chinesen – auf ihren Motorrädern, im Auto, auf der Parkbank, auf der chinesischen Mauer, … . Vielleicht kann ich da noch ein paar Fotos machen :).

Nicht ciao sagen bei der Verabschiedung – das ist ein schlechtes Wort (kann ja jeder selbst mal übersetzen – cao).

Das N-Wort: Die Chinesen haben ein Füllwort, dass sich bei schnellem Sprechen die „Nigga“ anhört. Wir haben uns sehr gewundert, als wir das am Anfang hier häufig gehört haben, bis uns das einer erklärt hat.

 

Karte:

Tags from the story
, , ,
Join the Conversation

1 Comment

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert